Mode ist eine Frage der Perspektive, auch um neun Uhr morgens. „Schau mal, Mama, sie können morgens ihre Prinzessinnen anziehen!“ Das fünfjährige Mädchen, das auf dem Platz der Luftbrücke die Hand seiner Mutter hält, ist aufrichtig empört. Vor ihm schweben zwei elegante Damen in Richtung Flughafen Tempelhof, die eine in einem geblümten bodenlangen Kleid, die andere in einem schwarzen Häkeltraum. Die Mutter denkt einen Moment nach. Dann sagt sie: „Das sind keine Prinzessinnen, das sind Models. Sie sind auf dem Weg zur Arbeit. Das können sie.“
Es ist wieder Bread & Butter und wieder Fashion Week. Dies sind die Tage, an denen es in Berlin normal ist, Prinzessinnen, Models, Prominente und schöne Menschen zu treffen. Auf den Straßen und Plätzen, aber auch in der U-Bahn. Zu Beginn der Ausstellung verwandelte sich die U-Bahn-Linie 5 schnell in einen Korridor. Bei einer besonderen Fahrt balancierten 34 Models in High Heels auf dem Laufsteg, der normalerweise zwischen Alexanderplatz und Hönow verläuft. 400 Passagiere bewundern die neuesten Kollektionen. „Tatsächlich ist die tägliche Fahrt mit der U-Bahn ein Spektakel“, kommentierte Alexander van Hessen, Geschäftsführer des Modellveranstalters. Das erste Mal vor sieben Jahren sei die Parade „eine Art Guerilla-Akt“ gewesen, erinnert er sich. Dann gab es Strafen. Mittlerweile ist die Tour fester Bestandteil der Fashion Week.
„Gefälscht was?“
Aber wenn Sie schöne Menschen sehen wollen, gehen Sie einfach raus. Wenn es einen Modestadtplan gäbe, gäbe es in Berlin heutzutage neue Kieze. Jeans Town ist die Gegend rund um den alten Flughafen Tempelhof, in der die Modenschau von Bread & Butter aus einem blauen Stoff besteht: Denim. Die Fußgängerzone der Fashion Week liegt auf der ehemaligen Euro-Soccer-Fanmeile. Auf der Straße des 17. Juni, unter der Siegessäule, ist es die Bühne für die wichtigsten Modenschauen. Und sie liegen alle in der Friedrichstraße. Bierradtouristen bewundern dunkelhäutige Models beim Einkaufen mit ihren Kindern. Gelassene Herren tragen die farbenfrohen Handtaschen der Modehäuser, die durch die Stadt marschieren, mit Designer-Sonnenbrillen und betont lässigen Cargohosen. Und jeder hat die gleiche Frage: Wohin?
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Denn Berlin, die „Modehauptstadt“, ist zum Laufsteg geworden, auch für diejenigen, die gar nicht laufen wollen. Da die U-Bahn-Linie 6 in der Innenstadt zeitgleich mit Beginn der Fashion Week eingestellt wurde, weil die Fanmeile auf der Straße des 17. Juni geräumt wurde, diese aber weiterhin für Autos gesperrt ist, sind die Wege für Fashion-Gäste noch komplizierter und Diesmal mehr als sonst... Plus: Es ist Ferienzeit. Das Stadtzentrum ist der Wohnort der Touristen. Und es wird nicht nur Unter den Linden gebaut.
Alle zwölf Minuten werden Fahrgäste der U6 aus dem U-Bahnhof Französische Straße geschleust. Hier enden die Züge, hier müssen alle aussteigen, die Strecke ist bis 2013 gesperrt. „Bitte zu Fuß bis Bahnhof Friedrichstraße“, ertönt die laute Ansage aus dem Lautsprecher am Bahnsteig. An der Spitze stehen drei BVG-Mitarbeiter in neongrünen Westen und versuchen, jede Frage zu beantworten. Wo ist der Potsdamer Platz? Wie komme ich zum Flughafen Tegel? Der Bus zur Memorial Church? Stadtpläne flattern im schwülen Sommerwind, BVG-Mitarbeiter plaudern auf Englisch. Nur eine Frage beschäftigt sie: Wie kommt man zur Fashion Week?
„Fasen-was?“ fragt einer der Servicemitarbeiter an der Ecke Under den Linden. Tragen Sie einen Kollegen ein, der sich zumindest vor Ort auskennt. Aber wie geht es weiter? „Fahren Sie mit der S-Bahn nach Bellevue“, rät er schließlich. Zumindest ist die Adresse korrekt. Wäre da nicht der 15-minütige Fußweg zum Fashion-Week-Bühneneingang zum großen Star, den wiederum nur ortskundige Menschen finden können. Es gibt keine Anzeichen.
Dana Schweiger em Taxi Stress
In der Modeszene wartet eine Schar Paparazzi und Schaulustiger Tag und Nacht geduldig auf bekannte Gesichter und wird nicht enttäuscht. Die meisten VIP-Gäste, Models und Designer kommen in schwarzen Mercedes-Minivans des Fashion-Week-Limousinenservice an und reisen auch wieder ab. Aber die anderen stehen Schlange für Taxis. Nach jeder Vorstellung dauert es genau fünf Minuten, bis das letzte Taxi mit Fahrgästen verschwindet.
Der Ersatz kommt langsam. Während die Männer vergeblich nach den Colectivos suchen – die nächste Haltestelle, unsichtbar, ist gleich um die Ecke – und die Frauen in Stöckelschuhen in die Velotaxis steigen, versuchen andere vergeblich, mit ihren Handys weitere Taxis zu rufen. „Ich habe dreimal angerufen, beim ersten Mal wusste das Taxiunternehmen nicht einmal, wo die Fashion-Week-Bühne ist“, sagt eine Frau mit leicht amerikanischem Akzent entnervt. Zum blauen Kleid trägt sie mutig leuchtend orangefarbene Plateauschuhe. Keine Wanderschuhe. Beim Taxiunternehmen fragte niemand nach ihrem Namen, sie fragt sich: „Aber wie soll mich der Taxifahrer hier finden?“
Wenn ich gefragt hätte, wäre die Antwort gewesen: Dana Schweiger. Die Ex-Frau des Schauspielers Til Schweiger, ein ehemaliges Calvin-Klein-Model, ist eine erfolgreiche Modeunternehmerin und offenbar bescheiden genug, nicht in einem schwarzen Mercedes herumzufahren. Sie ärgert sich nicht über die Taxifahrer, sondern über die mangelnde Organisation des öffentlichen Nahverkehrs für Berlins mondäne Gäste. „Schließlich ist Mode ein wichtiger Wirtschaftsfaktor.“
Fashion Week und Bread & Butter bringen pro Saison rund 120 Millionen Euro Umsatz nach Berlin. Der amtierende Bürgermeister Klaus Wowereit hat die Modebranche erneut als integralen Bestandteil der Wirtschaft und Kreativszene der Stadt anerkannt. Und Menschen in die Stadt bringen. Bei der letzten Winter Fashion Week waren es rund 250.000. Einer von ihnen ist André Borchers, ein Designer mit Sitz in Hamburg und New York. Er erlebte auch ein Taxi-Abenteuer in Berlin. Er war vom Brandenburger Tor bis zur Mitte des Tiergartens gefahren, weil auf der gesperrten Straße des 17. Juni nicht einmal Taxis erlaubt sind. „Statt sechs kostet die Fahrt 24 Euro“, ärgert sich André Borchers.
Allerdings nehmen er und ein Kollege am nächsten Tag ein Taxi zum Mittagessen. Ziel: Die Borchardt. „Iss Koteletts! Das musst du!“, ruft Borchers Kollegin Liv Brodersen freundlich. Und am Gendarmenmarkt erwartet sie natürlich wieder die übliche Warteschlange. Mode“, seufzt ein Herr im Anzug, der ebenfalls auf einen Platz in der beliebten Bar wartet.
Politiker und Geschäftsleute treffen sich üblicherweise zur Mittagszeit in Borchardt. Heutzutage sind sie meist Fashionistas, erkennbar an ihren Abzeichen, Armbändern und Sonnenbrillen. Auch Designer André Borchers sagte: „Trotz des Andrangs ist die Fashion Week einen Besuch wert, auch wegen der Atmosphäre.“ Auch Liv Brodersen, die in Schöneberg einen Showroom und ein Atelier hat, stimmt zu. „Mailand und Paris sind natürlich viel größer, aber Berlin ist mittlerweile eine internationale Marke, die Stadt gilt als supercool, alle wollen einfach hier sein.“
Der Verkauf erfolgt bei Bread & Butter
Die Anreise zum Flughafen Tempelhof gestaltet sich professioneller. Zumindest gibt es eine U-Bahn-Station, obwohl viele Besucher aufgrund des Berufsverkehrs und der Baustelle nicht dorthin gelangen. Die Flughafenstraße sieht aus wie ein Verkehrsgarten mit rot-weißen Hüten und uniformierten Verkehrspolizisten. Vielleicht, weil das Polizeipräsidium neben dem Flughafen liegt. Und auch das Publikum ist anders.
Bei Bread & Butter geht es nicht nur um Glamour, Sehen und Gesehenwerden. Hier finden vor allem Verkäufe statt und Geschäftsbesucher sind herzlich eingeladen. Während morgens die „Prinzessinnen“ zur Arbeit liefen, strömt nachmittags der ganze Mix der Modewelt durch den Eingang des alten Zentralflughafens. Frauen in Anzügen, in den kürzesten Samaras oder schillernden Saris, bewundert von entspannten Italienern in Anzügen und netten Kerlen in Shorts und Flip-Flops. Ein Mann trägt einen weißen Sikh-Turban mit einer lila Weste. Im Geschäftsleben trägt hier kaum jemand nur Jeans.
Hier wird Porsche gefahren
Während sich die Gäste der Fashion Week nachts auf die Partys der Stadt begeben, werden ihre Taschen am Ende des Tages am Flughafen Tempelhof verladen. Viele Besucher gehen zu Fuß zu den wartenden Bussen, die kostenlos direkt zum Hauptbahnhof fahren. Die anderen bilden geduldig eine ordentliche Warteschlange für Taxis, wie es auf Flughäfen auf der ganzen Welt üblich ist. Denn auch wenn keine Flugzeuge mehr in Tempelhof landen, ist der große Erfolg der „Modehauptstadt“ Berlin, dass sie mit der Bread & Butter zur Einflugschneise wichtiger Persönlichkeiten der globalen Modebranche geworden ist. Auch die glänzend schwarze Insel in der Mitte des Vorgartens zeigt diesen kleinen, aber feinen Unterschied. Bread & Butter bietet auch einen Limousinenservice an. Aber Porsche ist hier führend. Wenn ja, dann ja.
Das Modeabenteuer in Berlin wird das ganze Wochenende über weitergehen. Ab Dienstag zeigen mehr als 150 Designer und Künstler ihre neuesten Arbeiten in der Hauptstadt. Auf der Fashion Week präsentieren berühmte Designer und aufstrebende Marken den Besuchern bis Sonntag ihre neuesten Designs. Programme wie Bread & Butter und Premium öffnen heute ihre Türen für Fachbesucher. Und die Showroom Days sind Schaufenster für junge Berliner Kreative, nationale und internationale Marken. Wahrscheinlich auch für Prinzessinnen.